Spannungsgeführte Aktivfilter helfen bei Notstrombetrieb
Heute sind fast alle am Stromnetz angeschlossenen Geräte nichtlineare Verbraucher. Ihre nichtsinusförmige Stromaufnahme verzerrt die Netzspannung und erzeugt damit Oberschwingungen. Die Folge sind Überbelastungen der angeschlossenen Geräte und Anlagen, die zu Störungen in der Infrastruktur von Unternehmen bis hin zur Gefährdung der Betriebssicherheit führen. Abhilfe schaffen passive oder aktive Filtersysteme.
Schwierig wird es in kritischen Infrastrukturen, bei denen die Netzstabilität nicht nur im Netzbetrieb, sondern auch im Notstrombetrieb sicherzustellen ist. Kritische Infrastrukturen sind von exponierter gesellschaftlicher Relevanz, die einem besonderen Schutz unterliegen. Dazu gehören u.a. die Informations- und Kommunikationstechnologie, die Energie- und Wasserversorgung, die Gesundheitsversorgung sowie das Rettungs- und Finanzwesen, um nur einige zu nennen.
Bei einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt wurden im Zuge der Umstellung von DVB-T auf DVB-T2 HD neue Sendeanlagen installiert. Der neue Fernsehübertragungsstandard verspricht mehr Programme in weit höherer Bildqualität. Da der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu den kritischen Infrastrukturen zählt, müssen die Sendeanlagen stets und unterbrechungsfrei sendebereit sein. Neben dem regulären Netzbetrieb muss daher auch der Generatorbetrieb mit einem Notstromgenerator funktionieren. FRAKO wurde beauftragt, Power-Quality-Messungen im Netz- und im Inselbetrieb zu analysieren, um mögliche Probleme in Bezug auf Oberschwingungsbelastungen und Resonanzlagen zu erkennen.
Das Resultat: Die neue Sendeanlage ist mit 150 kW Summenleistung kein besonders leistungsstarker Verbraucher, der Leistungsfaktor cos phi ist besser als 0,95 (induktiv) und damit besteht kein Blindleistungskompensationsbedarf. Sämtliche Oberschwingungs-spannungen bis zur 50. Harmonischen wie auch die geometrische Summe THDu lagen bei Netzbetrieb noch innerhalb der zugrunde gelegten Norm DIN EN 61000-2-4, Klasse 2. Allerdings wurden im Generatorbetrieb hohe Oberschwingungspegel oberhalb der 25. Harmonischen, also oberhalb von 1 kHz festgestellt, die sich aus Resonanzstellen im
Bereich der 29. Harmonischen ergaben. Bei den Messungen wurde ein sprunghafter Anstieg von Oberschwingungen höherer Ordnungen festgestellt.
Netzprobleme mit Oberschwingungen bei Generatorbetrieb
Ursache der Resonanzstellen sind die nicht verdrosselten Kapazitäten der Sendeanlagen, die dafür sorgen, dass das Netz bei etwa 1.450 Hz schwingt. Sie sollten daher mit einem Filter kompensiert werden. Jedoch verschiebt sich die Resonanzfrequenz ständig und hängt von der Kurzschlussleistung des Gesamtsystems ab. Im Netzbetrieb ist die Kurzschlussleistung hoch, die Resonanzfrequenz liegt oberhalb 3 kHz. Im Generatorbetrieb hingegen ist die Kurzschlussleistung wesentlich kleiner, die Resonanzfrequenz sinkt und liegt bei nur 1,5 kHz.
Bei der Auswahl des Filtersystems musste ein störungsfreier Betrieb sowohl im Netz- als auch im Generatorbetrieb im Vordergrund stehen. Außerdem durften die in der Regel hörbaren Oberschwingungen von der Sendeanlage nicht übertragen werden.
Nur spannungsgeführte Aktivfilter sind geeignet
Passive Filtersysteme wirken oberhalb deren Abstimmfrequenz induktiv, bilden einen geringen Widerstand gegenüber Oberschwingungen und saugen diese gezielt und effektiv ab. Der Nachteil: Sie sind nur für einen bestimmten Frequenzbereich ausgelegt und liefern eine zusätzliche Grundschwingungsblindleistung, welche in diesem Fall zu einem kapazitiven Leistungsfaktor geführt hätte. Nicht nur deshalb waren sie für diese Anwendung ungeeignet, sondern auch, weil sich das Oberschwingungsspektrum im Generatorbetrieb stark ändert.
Aktive Filtersysteme erzeugen zur Kompensation von Oberschwingungen einen gegenphasigen Strom. Dabei können sie sich den zu kompensierenden Frequenzen automatisch anpassen. Man unterscheidet strom- und spannungsgeführte, aktive Filter. Stromgeführte Filter messen den Laststrom und errechnen über Fourier-Analysen den gegenphasigen Kompensationsstrom. Sie können Oberschwingungen verschiedener Ordnung gleichzeitig und die Blindleistung dynamisch kompensieren. Spannungsgeführte Filter können impedanzgeführt arbeiten, d.h. sie kompensieren nicht nur Oberschwingungen, sondern können auch Resonanzen aktiv unterdrücken. Da keine Stromwandler notwendig sind, arbeiten diese Systeme wesentlich schneller als stromgeführte Filter.
Für den Anwendungsfall der Sendeanstalt war ein spannungsgeführtes Aktivfilter optimal. Im Falle eines stromgeführten Aktivfilters hingegen könnte es zu einer Instabilität zwischen der Stromregelung des Filters und der Regelung des Generators im Notstrombetrieb kommen.
Die Lösung: Highspeed Aktivfilter OSFS
Die Sendeanstalt erhielt ein spannungsgeführtes Aktivfilter OSFS 100-400-3-V von FRAKO. Das 3-Leiter-Gerät mit einer Nennleistung von 70 kVA kann Oberschwingungen bis zur 100. Harmonischen kompensieren, d.h. bis zu 5 kHz. Dabei werden entweder das gesamte Spektrum oder gezielt ausgewählte Harmonische kompensiert. Außerdem werden Resonanzen erheblich bedämpft. Mit einer Reaktionszeit unter 20 µs eignet sich das Filter speziell für schnelle und große Lastwechsel. Das Aktivfilter-system arbeitet ohne Strom-wandler, was in diesem Fall der elektrischen Installation entgegenkam.
Das OSFS-V erfüllt die gewünschten Anforderungen in den beiden Betriebsarten Netz- und Generatorbetrieb und entlastet nun das Versorgungsnetz wesentlich. Sämtliche Oberschwingungspegel der zuvor kritischen höheren Harmonischen wurden deutlich reduziert, das war besonders beim Inselbetrieb an den wesentlich geringeren Generatorgeräuschen hörbar. Zusätzlich konnten in beiden Betriebszuständen die typischen Umrichter-Oberschwingungen der 5. und 7. Harmonischen auf unkritische Pegel unterhalb 1 % reduziert werden.
März 2018